Gewässerausbau

Die ökologische Qualität eines Gewässers wird nicht nur durch die Wasserqualität (Verschmutzungsgrad), sondern auch durch die Gewässerstruktur bestimmt. Dabei wirken sich die aufgrund von Nutzungsansprüchen - Schifffahrt, Wasserkraft (s.a. UBA-Texte 13/98), Hochwasserschutz (s.a. UBA-Texte 18/98) und andere Zwecke - an den Gewässern durchgeführten technischen Maßnahmen negativ auf die Gewässerbeschaffenheit aus, indem sie die natürliche Vielgestaltigkeit der Lebensräume und die Dynamik der Wasserführung vereinheitlichen, die Durchgängigkeit des Fließgewässers unterbrechen (Wehre, Staustufen) und die Einheit von Fluss und Aue zerstören. Damit tritt u.a. eine Verarmung des ursprünglichen Artenbestandes sowie eine Verschiebung des Artenspektrums im Fluss ein.

Die Saale zwischen Halle und Calbe wurde schon vor dem Krieg für das 1000-Tonnen-Schiff ausgebaut. 1942 wurden die Bauarbeiten kriegsbedingt abgebrochen. Diese Ausbaupläne bilden nun die Grundlage für den Planungen zum Ausbau der Saale zwischen Halle und der Mündung in die Elbe für das 1350-Tonnen-Schiff. Dazu sind Staustufen bei Klein-Rosenburg und Begradigungen des Flusslaufes (Durchstich der Trabitzer Schleife) vorgesehen.

Gegen den Ausbau der letzten 20 km freifließender Saale gibt es von verschiedenen Seiten Bedenken. An der unteren Saale liegt ein anerkanntes Europäisches Vogelschutzgebiet sowie ein FFH-Gebiet. Schon seit 1978 steht der Elbe-Saale-Winkel unter Naturschutz und ist heute Teil des UNESCO-Biosphärenreservates "Flusslandschaft Elbe". Die naturnahen Grund- und Oberflächenwasserverhältnisse, wie wir sie heute noch an der unteren Saale vorfinden, werden durch den Ausbau völlig verändert. Durch die Stauhaltung erhöhen sich oberhalb des Wehres die Wasserstände. Als Folge sind ca. 220 ha Auwald in diesem Gebiet durch Staunässe akut bedroht, der gesamte Wasserhaushalt der Auen wird geändert. Unterhalb der Saale-Staustufe wird sich außerdem aufgrund des entstandenen Geschiebedefizits der Fluss weiter eintiefen und es zu einer Absenkung der Grundwasserstände kommen. Ein funktionaler Ausgleich der Folgen dieses veränderten Wasserhaushaltes ist - auch mittels der neuerdings propagierten Einspeisungs- und Entnahmebrunnen - nicht möglich. Der geplante Durchstich der Trabitzer Schleife wird zu unvertretbar starken Absenkungen der Oberflächen- und Grundwasserstände bis oberhalb von Calbe führen.

Da in einem Tieflandfluss wie der Saale auch unter natürlichen Bedingungen in den Sommermonaten die Gefahr eines Sauerstoffdefizites nicht ausgeschlossen werden kann und der Sauerstoffhaushalt der Saale durch die Belastung mit kommunalen und industriellen Abwässern (Gewässergüte derzeit Güteklasse II-III (kritisch belastet)) beeinträchtigt ist, ist auch vor diesem Hintergrund eine Störung des Sauerstoffhaushaltes durch den Staustufenbau und damit eine weitere Verschlechterung der Wasserqualität nicht zu vertreten.

Auch wirtschaftlich ist der Saaleausbau umstritten. Der Gütertransport auf der Saale ist nach der Wende auf weniger als ein Zehntel zurückgegangen. So wurden1999 und 2000 weniger als 0,04 Mill. Tonnen Güter auf der Saale befördert - das bedeutet im Durchschnitt zwei Schiffe pro Woche. Selbst auf der Elbe zwischen Magdeburg und Saalemündung wurden 2000 nur 1,3 Mio. Tonnen befördert. Nach den der Ausbauplanung zugrunde liegenden Prognosen sollen aber 5,3 Mill. Tonnen Güter auf der Saale (eine Steigerung um rund 13 000 % !) und 10 Mill. Tonnen auf der Elbe bewegt werden. Zwar hat sich in der Zwischenzeit die Kali&Salz AG Bernburg als potentieller Nutzer zu Wort gemeldet, die 1 Mill. Tonnen Salz auf der Saale transportieren lassen könnte. Dem hält jedoch die Deutsche Bahn AG entgegen, dass auf dem parallel zur Saale verlaufenden Schienenweg ausreichend freie Kapazitäten vorhanden sind.

Nicht zuletzt sei auch auf die Auswirkungen des geplanten Saaleausbaus auf die Elbe verwiesen. Die Bundeswasserstraßenverwaltung beabsichtigt, in der Elbe durch Strombaumaßnahmen (Buhnen, Leitwerke, Baggerungen, Ausfüllung von Untiefen) eine Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse derart zu erreichen, dass etwa für die Hälfte des Jahres eine Fahrrinnentiefe von 2,50 m und zu 95 % des Jahres von 1,60 m gesichert wird, d.h. eine Verbesserung der Fahrwassertiefenverhältnisse um ca. 20 cm. Die Saale soll durch den Bau der Staustufe auf 2,50 m Wassertiefe (bzw. 2,00 m bei Niedrigwasser) gebracht werden. Nach den jetzigen Ausbauplanungen wäre die Elbe also nicht tief genug, um ganzjährig mit den Schiffen die neue Wassertiefe der Saale nutzen zu können. Zudem ist selbst fraglich, ob die in der Elbe angestrebten Fahrrinnentiefen überhaupt erreicht werden, da die Abflussmengen der Elbe in den Neunziger Jahren um 7-14% unter den langjährigen Mitteln lagen und die Niedrigwasserperioden dadurch immer länger wurden. Neben möglichen klimatischen Veränderungen kommen die Tagebauflutungen mit Flusswasser im Elbe-Einzugsgebiet hinzu, die die Abflussmengen und damit die Schiffbarkeit weiter reduzieren könnten.

Aufgrund der bei allen Staustufenvarianten auftretenden ökologischen Schäden für das Gewässer und sein Umland ist der Bau von Staustufen an den wenigen noch vorhandenen nicht aufgestauten naturnahen Fließgewässern aus heutiger Sicht nicht mehr zu vertreten.

Quelle: © Umweltbundesamt 2002